Ausgewählte Kern-, Orientierungs- und Leitsätze der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung

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ABGABENRECHT

Rechtsprechung in Kern-, Orientierungs- und Leitsätzen ausgewählter verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen

Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil vom 30.11.2023 – Aktenzeichen 5 A 1290/21 und 5 A 1307/17

Bei der Gebührenkalkulation ist eine gesamtwirtschaftliche Betrachtungsweise hinsichtlich der bei einer Gemeinde als Trägerin der Wasserversorgungseinrichtung und Gebührengläubigerin in Zusammenhang mit der Aufgabe der öffentlichen Wasserversorgung anfallenden Ein- und Ausgaben geboten.

Die von einem Fremdleistungsunternehmen zur Abgeltung der Inanspruchnahme der öffentlichen Verkehrswege durch dessen Wasserversorgungsanlagen gezahlte Konzessionsabgabe steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der von einer Gemeinde wahrgenommenen Aufgabe der öffentlichen Wasserversorgung.

Sie ist bei der Gebührenkalkulation als Einnahme der Gemeinde gebührenmindernd in Ansatz zu bringen.

Pressemitteilung Verwaltungsgerichtsbarkeit Hessen Nr. 24/2023 vom 30.11.2023

Bundesverwaltungsgericht 
Urteil vom 17.10.2023 – Aktenzeichen BVerwG 9 CN 3.22; Vorinstanz OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom  14.06.2022, Aktenzeichen 9 A 2.17

Wechselt der Einrichtungsträger zur Deckung des Aufwands für die Anschaffung und Herstellung seiner zentralen öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungsanlage von einer Beitrags- zu einer reinen Gebührenfinanzierung mit unterschiedlich hohen (gespaltenen) Gebührensätzen für Grundstücke, für die Anschlussbeiträge gezahlt wurden, und Grundstücke, für die keine Beiträge gezahlt wurden, so steht Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes nach Art. 20 Abs. 3 GG einer Gebührenfinanzierung der Herstellungskosten entgegen, soweit Anschlussbeiträge wegen hypothetischer Festsetzungsverjährung nicht mehr erhoben werden konnten.

Pressemitteilung Bundesverwaltungsgericht Nr. 73/2023 vom 17.10.2023

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 9. Senat – Gebührenaufkommen |  Gebührenkalkulation | Gebührensatz | Grundgebühr | Verbrauchsgebühr | gespaltene Verbrauchsgebühr
Beschluss vom 14.06.2022 – Aktenzeichen 9 A 2.17
aufgehoben durch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.10.2023, 9 CN 3.22, mit Rückverweisung an das OVG Berlin-Brandenburg

  1. Der Bestimmtheitsgrundsatz erfordert nicht, dass jeder Zweifel über das Auslegungsergebnis ausgeschlossen ist. Es genügt den Anforderungen an die Bestimmtheit einer Satzungsvorschrift, wenn Auslegungsschwierigkeiten mit herkömmlichen juristischen Auslegungsmethoden bewältigt werden
    können.
  2. Bei der Ermittlung der kalkulatorischen Abschreibungen und Zinsen bleibt der aus Beiträgen aufgebrachte Eigenkapitalanteil außer Betracht.
  3. Zu den endgültigen Nichtbeitragszahlern in diesem Sinne gehören auch diejenigen, für die keine Beitragspflichten mehr entstehen können, weil sie im Lichte des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 (1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/16 -, juris) Vertrauensschutz gegenüber der Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n. F. genießen.
  4. Die Festlegung gespaltener Gebührensätze führt nicht zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung zwischen Selbstnutzern und Vermietern.
  5. Wird – wie hier – hinsichtlich des Gebührensatzes für die Verbrauchsgebühr zwischen Beitragszahlern und Nichtbeitragszahlern unterschieden, indem (allein) zugunsten der Beitragszahler das durch Beiträge aufgebrachte Abzugskapital in die  Gebührenkalkulation eingestellt wird, dann schließt dies eine weitere Differenzierung zwischen den beiden Gruppen im Rahmen der Grundgebühr aus. Es entspricht vielmehr der fortbestehenden Solidargemeinschaft zwischen Beitragszahlern und Nichtbeitragszahlern, dass das Grundgebührenaufkommen gleichmäßig auf beide Gruppen verteilt wird.

OVG Lüneburg –  Ablösung | Beitragsfestsetzung | Beitragssatz | Erschließungsvertrag | Kalkulation | Kanalbaubeitrag
Urteil vom 24.02.2022 – Aktenzeichen 9 LB 408/19

  1. Eine Fortschreibung der Beitragskalkulation für eine zentrale Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung ist zulässig. Sie gestattet eine Einbeziehung der voraussichtlichen Kosten und Maßstabseinheiten für die im Geltungsbereich künftiger Bebauungspläne und Flächennutzungspläne liegenden Gebiete und auf dieser Grundlage die Ermittlung eines neuen höchstzulässigen Beitragssatzes.
     
  2. Keine wirksame Ablösungsvereinbarung, wenn weder das von der Ablösungswirkung erfasste Grundstück genau beschrieben noch der Ablösungsbetrag für das konkrete Grundstück offengelegt wird (zu den Voraussetzungen für eine wirksame Beitragsablösung: Bezug auf das Urteil im Parallelverfahren 9 LB 407/19, Urteil vom 23.2.2022).

OVG Lüneburg – Berechnung von Niederschlagswassergebühren bei sog. Fremdwasser
Urteil vom 24.03.2014 – Aktenzeichen 9 LC 191/11

  1. Soweit das Niederschlagswasser in einer Gemeinde teilweise auch in Mischwasserkanäle eingeleitet werden darf und so – vermischt u. a. mit eingeleitetem Schmutzwasser – in die Kläranlage gelangt, ist grundsätzlich ein der Beseitigung des Niederschlagswassers zuzurechnender Anteil der Kosten für die Kläranlagen gebührenfähig.

  2. Das über die Schmutzwasserkanäle u. a. durch Fehlnutzung in die Kläranlage gelangte sog. Fremdwasser ist kein Niederschlagswasser und hat daher auch bei der Berechnung des Verteilungsschlüssels für die anteiligen Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung außer Betracht zu bleiben.

OVG Lüneburg – Erhebung von Abwasserbeseitigungsgebühren im Rahmen einer Privatisierung
Urteil vom 24.09.2013 – Aktenzeichen 9 LB 22/11

  1. Eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Kalkulation setzt ein Rechenwerk voraus, das als Ergebnis den zu beschließenden Gebührensatz ergibt.

  2. Die Gebühr für die Beseitigung von Abwasser über Kanäle muss gesondert kalkuliert werden von der Gebühr für die Beseitigung des Abwassers aus abflusslosen Gruben.

  3. Ein einheitlicher Abwassergebührensatz für Grundstückseigentümer in eingemeindeten Ortsteilen, in denen früher ein Kanalbaubeitrag gezahlt worden ist, und für Grundstückseigentümer aus Gebieten, in denen ein Kanalbaubeitrag nicht entrichtet werden musste, verstößt unter bestimmten Voraussetzungen weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz noch gegen das Doppelbelastungsverbot.

  4. Der Gebührenzahler kann nicht beanspruchen, dass dem Gebührenhaushalt ein Entgelt gutgeschrieben wird, das für die Einräumung eines Nutzungsrechts gezahlt wird und nicht im Zusammenhang mit dem Betrieb der öffentlichen Einrichtung bzw. der Leistungserstellung steht.

  5. Auch bei Anlagen, die nicht eigenfinanziert, sondern ganz oder teilweise mit Fremdmitteln finanziert sind, darf nach Wiederbeschaffungszeitwerten abgeschrieben werden, solange sich dafür noch sachliche Gründe bezogen auf den Zweck der gänzlichen oder teilweisen Kostendeckung finden lassen.

  6. Ein von einem Dritten ausgefertigter und in einer privaten Rechnung enthaltener Abgabenbescheid muss nach dem landesrechtlichen Bestimmtheitsgebot sowohl von der äußeren Gestaltung als auch vom Inhalt des Bescheids her klar erkennen lassen, was der privatrechtliche und was der öffentlich rechtliche Teil des Schreibens sein soll.

  7. Bei der Kalkulation der Niederschlagswassergebühr muss kostenmindernd berücksichtigt werden, dass in größerem Umfang auch Grundwasser in die Niederschlagswasserkanäle eingeleitet wird.

  8. Bei methodischen, das Berechnungsverfahren betreffenden Kalkulationsfehlern ist die Fehlerfolgenregelung in § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG nicht anwendbar.

OVG Lüneburg – Regenwassergerbühr
Beschluss 07.12.2012 – Aktenzeichen 9 LA 78/12

Es besteht kein Rechtsanspruch darauf, dass in der Abwasserabgabensatzung für diejenigen Gebührenpflichtigen, die sich über den an eine Erschließungsträgerin gezahlten Kaufpreis an den Kosten der Erschließung eines bestimmten Baugebiets beteiligt haben, ein günstigerer Gebührensatz vorgesehen wird als für die übrigen Gebührenpflichtigen.

Unterschiedlich hohe Gebührensätze sind rechtlich geboten, soweit sie vom Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung und dem Doppelbelastungsverbot gefordert werden.

Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung und das Doppelbelastungsverbot beanspruchen keine Geltung, wenn die Refinanzierung von Herstellungskosten über Kaufverträge zwischen Erschließungsträgern und Grundstückserwerber erfolgt und daher dem Regime des Privatrechts unterliegt, das auf der Vertragsfreiheit beruht und die rein öffentlich-rechtlichen Rechtsinstitute der Einmaligkeit der Beitragserhebung und des Doppelbelastungsverbots nicht kennt.

OVG Lüneburg – Unwirksamkeit von Abwassergebührensätzen wegen Verstoßes gegen die Pflicht zum fristgerechten Ausgleich von Über- oder Unterdeckungen
Urteil vom 17.07.2012 – Aktenzeichen 9 LB 187/09

  1. Es besteht kein Rechtsanspruch darauf, dass in der Abwasserabgabensatzung für diejenigen Gebührenpflichtigen, die sich über den an eine Erschließungsträgerin gezahlten Kaufpreis an den Kosten der Erschließung eines bestimmten Baugebiets beteiligt haben, ein günstigerer Gebührensatz vorgesehen wird als für die übrigen Gebührenpflichtigen.

  2. Unterschiedlich hohe Gebührensätze sind rechtlich geboten, soweit sie vom Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung und dem Doppelbelastungsverbot gefordert werden.

  3. Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung und das Doppelbelastungsverbot beanspruchen keine Geltung, wenn die Refinanzierung von Herstellungskosten über Kaufverträge zwischen Erschließungsträgern und Grundstückserwerber erfolgt und daher dem Regime des Privatrechts unterliegt, das auf der Vertragsfreiheit beruht und die rein öffentlich-rechtlichen Rechtsinstitute der Einmaligkeit der Beitragserhebung und des Doppelbelastungsverbots nicht kennt.

VG Göttingen – Einheitliche Straßenreinigungsgebühr für Sommer- und Winterdienst
Urteil vom 17.04.2012 – Aktenzeichen 3 A 389/10

  1. Die einheitliche Erhebung einer Straßenreinigungsgebühr für Sommer- und Winterdienst kann gegen den Gleichbehandlungs- und den Äquivalenzgrundsatz verstoßen, wenn sich der Gebührensatz ausschließlich nach der Häufigkeit des Sommerdienstes richtet.

  2. Zur Anwendbarkeit des Frontmetermaßstabes auf atypische Grundstückszuschnitte.

OVG Lüneburg – Abwassergebührenkalkulation für geplante Sanierungsmaßnahmen und Nachberechnung
Urteil vom 15.04.2011 – Aktenzeichen 9 LB 146/09

Der Träger einer kostenrechnenden Einrichtung „Abwasserbeseitigung“ darf den Aufwand für die im maßgeblichen Kalkulationszeitraum geplanten Sanierungsmaßnahmen an seinem Kanalnetz im Wege des sog. Part-Liner-Verfahrens als Reparaturaufwand auf der Kostenseite in vollem Umfang in die Kalkulation einstellen. An sich ansatzfähige, aber ausschließlich durch frühere Leistungen verursachte Kosten, die der Einrichtungsträger bewusst oder irrtümlich (hier: in Ermangelung der Ausübung seiner ihm zustehenden Einschätzungsprärogative) nicht in die Gebührenkalkulation eingestellt hat, können nicht erstmals in die Nachberechnung eingestellt und auf diesem Wege in der folgenden Rechnungsperiode als Unterdeckung bzw. als eine erwirtschaftete Überdeckung mindernde Position berücksichtigt werden.

OVG Lüneburg – Erhebung einer einheitlichen Grundgebühr im Rahmen der Abfallbeseitigung
Urteil vom 27.06.2011- Aktenzeichen 9 LB 168/09

  1. Auch in den Fällen einer Quersubventionierung nach § 12 Abs. 5 NAbfG dürfen abfallmengenabhängige Kosten nicht in die Kalkulation der Grundgebühr eingestellt werden.

  2. Profitieren bestimmte Gruppen von Gebührenpflichtigen auf Grund verstärkten Aufkommens von Abfall deutlich stärker von Vorhalte- und Bereitstellungsleistungen als andere Gruppen und können die dadurch entstehenden Mehrkosten ihnen letztlich zugerechnet werden, widerspricht es regelmäßig den Vorgaben der § 12 Abs. 6 Satz 1 NAbfG, § 5 Abs. 3 Satz 1 NKAG, wenn der Träger der Abfallentsorgung ein Gebührenmodell wählt, wonach er einerseits über die Grundgebühren mehr als 50 % der Gesamtkosten der öffentlichen Einrichtung finanziert und er andererseits eine für alle Benutzungseinheiten gleich hohe Grundgebühr erhebt.

OVG Schleswig – Bemessung von Niederschlagswassergebühren
Urteil vom 14.04.2011 – Aktenzeichen 2 LB 23/10

  1. Es ist zulässig, die Gebühr für die Niederschlagswasserbeseitigung nach der überbauten und/oder befestigten Grundstücksfläche zu bemessen, von der aus Niederschlagswasser in die öffentliche Niederschlagswasseranlage eingeleitet wird oder in diese gelangt.

  2. s bedarf keiner Differenzierungen nach der Art der befestigten Fläche und keiner Ermäßigung für auf dem Grundstück zurückgehaltenes und anderweitig verwendetes Niederschlagswasser.

VG Stade- Grundflächenmaßstab für Straßenreinigungsgebühr
Urteil vom 23.03.2010 – Aktenzeichen 4 A 1432/08

Für die Gebührenerhebung kommt nur ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab in Betracht, der allerdings nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zu Art und Umfang der fingierten Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung „Straßenreinigung“ bzw. der durch sie vermittelten Vorteile für die Gebührenpflichtigen stehen darf (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2 NKAG)

Es ist ausreichend, wenn die Bemessung der Straßenreinigungsgebühr nach grundstücksbezogenen Merkmalen erfolgt. Art und Maß der baulichen Nutzung der bevorteilten Grundstücke müssen dabei ebenso wenig wie das Maß der konkreten Verschmutzungsverursachung berücksichtigt werden.

Der sog. Grundflächenmaßstab (Fläche des Grundstücks in Quadratmetern) knüpft zweifelsfrei an ein grundstücksbezogenes Merkmal an und ist daher im Straßenreinigungsgebührenrecht als hinreichend vorteils- und leistungsgerecht anzusehen.

Die durch die günstige oder ungünstige Lage des einzelnen Grundstücks in Bezug auf seine Ausrichtung zur gereinigten öffentlichen Straße bedingten „Ungerechtigkeiten“ sind im Interesse einer möglichst praktikablen Gebührenbemessung hinzunehmen.

VGH Baden-Württemberg – Zur Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung
Urteil vom 11.03.2010 – Aktenzeichen 2 S 2938/08

  1. Die Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung verstößt auch bei kleineren Gemeinden in aller Regel gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip.

  2. Die sich auf § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG 1996 beziehende Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 27.01.2003 – 2 S 2587/00 – VBlBW 2003, 322), wonach diese Regelung nicht die Korrektur fehlerhafter Gebührenkalkulationen bezwecke, sondern nur solche Kostenunter- und Kostenüberdeckungen betreffe, die aus Prognoseirrtümern resultieren, kann auf § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 nicht übertragen werden.

VGH Baden-Württemberg – Kalkulation von Gebühren für Abwasserbeseitigung; Mischsystem
Beschluss vom 20.9.2010 – Aktenzeichen 2 S 136/10

  1. Bei der Erhebung von Gebühren für die öffentliche Abwasserbeseitigung sind nach § 17 Abs. 3 KAG die anteiligen Kosten, die auf die Entwässerung von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen entfallen, von den Kosten nach § 14 Abs. 1 S. 1 KAG abzuziehen. Bei der vorzugwürdigen kostenorientierten Betrachtung sind dazu die Kosten für diejenigen Anlageteile, die sowohl der Grundstücksentwässerung als auch der Straßenentwässerung dienen, in dem Verhältnis aufzuteilen, in dem die (fiktiven) Kosten selbständiger Entwässerungsanlagen für den jeweiligen Zweck zueinander stehen. Eine exakte Berechnung dieses Verhältnisses ist jedenfalls mit einem vertretbaren Verwaltungsaufwand nicht möglich. Die betreffenden Kostenanteile dürfen daher geschätzt werden. Bei dieser Schätzung, die unter Rückgriff auf allgemeine Erfahrungswerte erfolgen kann, ist der Gemeinde ein mit den damit verbundenen Unsicherheiten entsprechender Spielraum einzuräumen, der nur dann überschritten ist, wenn bei der Schätzung wesentliche Umstände unberücksichtigt geblieben sind oder die Schätzung auf sach- oder wirklichkeitsfremden Überlegungen beruht.

  2. Die Erhebung von Gebühren für die Beseitigung von Schmutzwasser einerseits und von Niederschlagswasser andererseits erfordert eine Aufteilung der Kosten der Abwasserbeseitigung auf die beiden Teilleistungsbereiche. Bei denjenigen Teileinrichtungen, die der Beseitigung sowohl des Schmutzwassers als auch des Niederschlagswassers dienen, ist eine rechnerisch exakte Aufteilung mit einem vertretbaren Verwaltungsaufwand ebenfalls nicht möglich. Die betreffenden Kostenanteile dürfen daher ebenfalls mit Hilfe allgemeiner Erfahrungswerte geschätzt werden.

  3. Die Gemeinde kann sich dabei an den in der Literatur (Gössl/Höret/Schoch, BWGZ 2001, 820 ff., 844 ff.) genannten Empfehlungen orientieren, nach denen sich bei einer Gegenüberstellung der nach der kostenorientierten Methode ermittelten Herstellungskosten für die Kanalisation im Mittel ein Verhältnis von 60 zu 40 und bei den Herstellungskosten der Kläranlage ein Verhältnis von 90 zu 10 zwischen den auf die Beseitigung des Schmutzwassers und den auf die Beseitigung des Niederschlagswassers entfallenden Kosten ergibt.

OVG Lüneburg – Kalkulation der Abwassergebühr und Folgen eines überhöhten Gebührensatzes
Beschluss vom 05.03.2010 – Aktenzeichen 9 LA 409/08

Liegt nach der zum 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Fehlerfolgenregelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 HS 1 NKAG der Beschlussfassung über Abgabensätze eine Berechnung der voraussichtlichen Kosten zugrunde, mit der bezüglich einzelner Kostenbestandteile versehentlich gegen Rechtsvorschriften verstoßen wird, so ist dieser Mangel unbeachtlich, wenn dadurch die Grenze einer rechtmäßigen Kostenvorausberechnung um nicht mehr als 5 vom Hundert überschritten wird.

OVG Lüneburg – Kriterium der hauptsächlichen Erschließung für Hinterliegergrundstücke
Beschluss vom 31.05.2010 – Aktenzeichen 9 LA 137/09

Bei der Gleichstellung von Anlieger- und Hinterliegergrundstücken vernachlässigten Unterschieden muss ein gesteigertes Gewicht schon deshalb nicht beigemessen werden, weil der Frontmetermaßstab, der in Rechtsprechung und Literatur allgemein als zulässig angesehen wird, den Vorteil, den Grundstückseigentümer von der Straßenreinigung haben, ohnehin nur eingeschränkt widerzuspiegeln vermag und daher eine exakte Bemessung der Gebühr nicht gewährleistet.

OVG Lüneburg – Gebührenminderung wegen schlechter Straßenreinigung
Beschluss vom 13.01.2010 – Aktenzeichen 9 LA 205/08

Das Äquivalenzprinzip ist verletzt, wenn das Ausgleichsverhältnis zwischen Gebühr und Wert der Leistung „gröblich“ gestört ist. Da bei einer Gebührenerhebung mittels eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs lediglich eine generalisierende und pauschalierende Bemessung der Abgabe nach der Leistung stattfindet, kann bei Benutzungsgebühren nicht jede behördliche Minder- oder Schlechtleistung einen Anspruch auf Gebührenermäßigung oder den Wegfall der Gebühr nach sich ziehen. Vielmehr muss – um für die Höhe des Gebührenanspruchs erheblich zu sein – eine Leistungsstörung von (nach Art, Dauer und/oder Umfang) gewissem Gewicht vorliegen.
Eine Nicht- oder Schlechterfüllung führt erst dann zu einem Wegfall oder einer Minderung der Straßenreinigungsgebühr, wenn nach Art, Dauer und/oder Umfang erhebliche Reinigungsmängel festzustellen sind, so dass die Straße als Ganzes nicht mehr als gereinigt angesehen werden kann. Eine Erheblichkeit liegt z. B. vor, wenn die unzureichende Straßenreinigung die Verkehrssicherheit beeinträchtigt oder mit den allgemeinen Hygienebedürfnissen unvereinbar ist.

OVG Lüneburg – Erhebung von Straßenreinigungsgebühren für ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück
Urteil vom 30.11.2009 – Aktenzeichen 9 LB 415/07

Bei Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslage besteht eine Straßenreinigungsgebührenpflicht in Niedersachsen auch für anliegende landwirtschaftlich genutzte Grundstücke.

Beim Fehlen einer hinreichend bestimmten Satzungsregelung über die Entstehung der Gebührenschuld können Straßenreinigungsgebühren nicht erhoben werden.

Oberverwaltungsgericht NRW – Gebührenminderung bei Öko-Pflaster
Beschluss vom 18.09.2009 – Aktenzeichen 9 A 2016/08

Für Porenpflaster (sog. Öko-Pflaster) muss keine verminderte Niederschlagswassergebühr erhoben werden.

Ein Maßstab, der (u.a.) auf die „befestigte Grundstücksfläche“ abstellt, genügt den Bestimmtheitsanforderungen.

Unter einer Flächenbefestigung ist jede Veränderung der natürlichen Bodenoberfläche zu verstehen, die zu einer Verdichtung führt.

Eine Differenzierung zwischen unterschiedlichen Befestigungsmaterialien in einer Satzung ist zwar möglich, aber nicht zwingend.

Eine Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte aufgrund eines gewählten Gebührenmaßstabes ist unerheblich, wenn bei ihrer Bewertung eine der beiden davon betroffenen Fallgruppen deshalb vernachlässigt werden darf, weil sie bei der unvermeidbar typisierenden Betrachtung nicht ins Gewicht fällt (sog. Grundsatz der Typengerechtigkeit).

Im KAG NRW gibt es keinen Ansatz dafür, dass ökologische Gesichtspunkte bei der Bemessung der Abwassergebühr von Bedeutung sind. Vielmehr stellt das Gesetz in § 6 Abs. 3 KAG NRW auf das Maß der Inanspruchnahme ab.

OVG Lüneburg – kalkulationsmäßige Behandlung von Kosten für notwendige Reparaturmaßnahmen einerseits und für Renovierungs- und Erneuerungsmaßnahmen andererseits
Beschluss vom 19.09.2008 – Aktenzeichen 9 LA 444/07

Nur Kosten für notwendige Reparaturmaßnahmen können in der jeweiligen Kalkulationsperiode voll in Ansatz gebracht werden, weil sie rein periodenbezogen sind und weder die betriebsüblichen Nutzungszeiten noch die Abschreibungsfristen ändern.

Renovierungs- und Erneuerungskosten schaffen neues Anlagevermögen, wirken sich damit nicht nur periodenbezogen aus und setzen betriebswirtschaftlich neue Abschreibungsfristen im Hinblick auf die betriebsübliche Nutzungsdauer in Lauf. Auf der Kostenseite der Gebührenkalkulation können daher nur die neuen Abschreibungsbeträge berücksichtigt werden.

Beim Inliner-Sanierungsverfahren werden im Falle einer Werterhöhung oder Nutzungsverlängerung neue Anlagevermögensgegenstände beschaffen und deshalb betriebswirtschaftlich neue Abschreibungsfristen im Hinblick auf die betriebsübliche Nutzungsdauer in Gang gesetzt.

OVG Lüneburg – Straßenreinigungsgebühr für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke innerhalb der geschlossenen Ortslage
Beschluss vom 05.01.2009 – Aktenzeichen 9 LA 212/06

Das Vorliegen einer geschlossenen Ortslage ist anhand einer weiträumigen Betrachtungsweise, bei der den gröberen Umrissen des Bebauungsbereichs das freie Gelände gegenüberzustellen ist, zu beurteilen.

Für die Straßenreinigungsgebührenpflicht ist der Verlauf der Straße (und nicht die Lage des Grundstücks) innerhalb der geschlossenen Ortslage maßgebend.

OVG Lüneburg – Heranziehung zu Niederschlagswassergebühren
Beschluss vom 26.11.2008 – Aktenzeichen 9 LA 348/07

Ein Anlass, die Kosten für die Straßenentwässerung vorab auszusondern, besteht nicht, wenn diese Kosten nicht einrichtungsfremd sind, sondern innerhalb der Einrichtung anfallen. Allerdings muss nach gebührenrechtlichen Grundlagen sichergestellt sein, dass den Grundstücksbesitzern, die nicht Benutzer der Straßenentwässerungsanlage sind, nicht über die Benutzungsgebühren Kosten für die Straßenoberflächenentwässerung auferlegt werden. Die Grundstückseigentümer zahlen Niederschlagswassergebühren ausschließlich für die Grundstücksentwässerung.

Zum einen kann auf der Grundlage einer öffentlichen Einrichtung Straßen- und Grundstücksentwässerung kalkuliert und der Eigentümer der Straßenflächen als allein für diese Flächen Gebührenpflichtiger behandelt werden. Zum anderen kann die Kalkulation auf der Grundlage einer öffentlichen Einrichtung Grundstücksentwässerung erfolgen; in diesem Fall sind die Kosten für die Straßenoberflächenentwässerung einrichtungsfremd, so dass sie nicht auf der Kostenseite in die Kalkulation eingestellt werden dürfen, sondern vorab von den Gesamtkosten der Niederschlagswasserbeseitigung abzuziehen sind.

Die – ohne jegliche konkrete Belegung – behauptete bloße Möglichkeit einer fehlerhaft erstellten Gebührenkalkulation löst nicht die Verpflichtung aus, die Gebührenkalkulation eines kommunalen Satzungsgebers „ungefragt“ einer Detailprüfung zu unterziehen.

Es ist ermessensfehlerfrei, im Gebührenmaßstab nicht noch nach dem Verunreinigungsgrad des eingeleiteten Niederschlagswassers zu differenzieren.

OVG Lüneburg – Gebühren für die Niederschlagswasserbeseitigung, insbesondere Maßstabsfragen
Beschluss vom 28.01.2008 – Aktenzeichen 9 LA 83/05

Für den Bereich der Niederschlagswasserbeseitigung ist die Bemessung der Gebühren nach dem Wahrscheinlichkeitsmaßstab der bebauten und/oder befestigten Fläche des Grundstücks nicht zu beanstanden.

Benutzungsgebühren sind grundsätzlich nach Art und Umfang der Inanspruchnahme, also nach einem Wirklichkeitsmaßstab zu bemessen.

Wenn die Bemessung der Gebühr nach dem Umfang der Inanspruchnahme schwierig oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist, kann anstelle eines vom Gesetz vorrangig verlangten Wirklichkeitsmaßstabs stattdessen ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab gewählt werden.

Der gewählte Wahrscheinlichkeitsmaßstab darf nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zu der Inanspruchnahme stehen.

Die Bemessung wiederkehrender Beiträge ist nur nach dem undifferenzierten Maßstabs der Grundstücksoberfläche vereinbar sowohl mit dem Gleichheitsgrundsatz als auch mit dem Äquivalenzprinzip.

OVG Lüneburg – Straßenreinigungsgebühren; Anschluss an eine Straße
Beschluss vom 01.10.2008 – Aktenzeichen 9 LA 205/07

An der für die Bejahung der Straßenreinigungsgebührenpflicht erforderlichen objektiven Beziehung des Anliegergrundstücks zur reinigenden Straße fehlt es nur, wenn ein Zugang vom Grundstück zur Straße tatsächlich nicht vorhanden und rechtlich nicht möglich ist und wenn eine mehr als nur völlig unerhebliche Straßenverschmutzung durch das Grundstück ausgeschlossen erscheint.

OVG Lüneburg – Gebührenpflicht des Grundstückseigentümers für die Niederschlagswasserbeseitigung
Beschluss vom 27.10.2008 – Aktenzeichen 9 LA 159/08

Wird das auf einem Grundstück anfallende Niederschlagswasser über gemeindliche Leitungen abgeleitet, die unter die angrenzende Straße hindurchführen und sodann in ein Gewässer münden, so kann eine Gebührenpflicht des Grundstückseigentümers für die Niederschlagswasserbeseitigung auch dann bestehen, wenn die Leitungen nur eine geringe Länge aufweisen und mit dem übrigen Kanalnetz der Gemeinde nicht verbunden sind.

OVG Lüneburg
Beschluss vom 05.11.2008 – Aktenzeichen 9 LA 184/07

Leitungen, die auf einem Grundstück anfallendes Niederschlagswasser unter einer Straße hindurchführen und sodann in ein öffentliches Gewässer einleiten, können selbständige Bestandteile einer zentralen Niederschlagswasserbeseitigungsanlage sein.

Zu den zentralen Abwasseranlagen zählen in der Regel – unabhängig von ihrer Ausgestaltung im Einzelnen – alle Abwasser führenden Leitungen, die von der Gemeinde zur Erfüllung ihrer Abwasserbeseitigungspflicht gewidmet worden sind und bereitgehalten werden.

OVG Lüneburg – Erschließungsbeitrag für überplantes Gewerbegrundstück
Beschluss vom 03.01.2006 – Aktenzeichen 9 ME 69/05

Erschließungsbeitragspflicht für eine neu angelegte Planstraße besteht auch dann, wenn ein Grundstück schon vor Aufstellung des Bebauungsplans und Bau der Planstraße ausreichend erschlossen war und die frühere Erschließung entfällt.

OVG Lüneburg – Straßenausbaubeitrag für teilweise ausgebaute Gemeindeverbindungsstraße, die vom Innenbereich über den Außenbereich in den Innenbereich führt
Beschluss vom 21.12.2005 – Aktenzeichen 9 ME 327/05

Ein Grundstück, das mit einem im Außenbereich gelegenen Teil an eine öffentliche Einrichtung angrenzt und zugleich mit einem im Innenbereich gelegenen Teil an einer weiteren Anlage liegt, wird nicht jeweils mit der vollen Grundstücksfläche zu einem Straßenausbaubeitrag herangezogen, sondern mit der Fläche in die Verteilung einbezogen, die sich aus dem Verhältnis der Frontlängen ergibt, mit denen das Grundstück an den jeweiligen Anlagen liegt.

OVG Lüneburg – Straßenausbaubeitrag – Ausbau einer Straße als verkehrsberuhigte Mischfläche
Beschluss vom 12.12.2005 – Aktenzeichen 9 ME 169/05

Auch wenn der Ausbau einer Straße als verkehrsberuhigte Mischfläche mangels hinreichender Aufenthalts- und Kommunikationsfunktion insgesamt nicht als Verbesserung einzuordnen ist, kann mit der gleichzeitigen erstmaligen Schaffung von Parkstreifen eine Verbesserung für die gesamte Verkehrsanlage durch die gesteigerte Funktionalität zwischen fließendem und ruhendem Verkehr vorliegen. Trotz der ursprünglich beabsichtigten Abrechnung der Ausbaumaßnahme wegen Umwandlung in eine verkehrsberuhigte Wohnstraße ist die Abrechnung der Teileinrichtung Parkstreifen nach einem entsprechenden Kostenspaltungsbeschluss möglich.

OVG Lüneburg – Ausbaubeiträge für Gehweg in der Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße
Beschluss vom 09.12.2005 – Aktenzeichen 9 ME 388/04

  1. Die Widmungsfiktion des § 6 Abs. 6 NStrG findet auch Anwendung auf Fälle der geteilten Baulast in der Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße.

  2. Besteht am Anliegergrundstück nur ein Erbbaurecht der Eigentümer des Hinterliegergrundstücks, wird dem Hinterliegergrundstück keine dauerhafte Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Straße vermittelt.

OVG Lüneburg – Ausbaubeiträge für verkehrsberuhigte niveaugleiche Mischfläche
Beschluss vom 23.09.2005 – Aktenzeichen 9 ME 308/04

Für den Ausbau einer Straße mit starkem innerörtlichen Verkehr zu einer verkehrsberuhigten niveaugleichen Mischfläche können die Anliegeranteile am beitragsfähigen Aufwand für die Straßenbeleuchtung und für die Oberflächenentwässerung höher festgesetzt werden als für die Mischfläche selbst.

OVG Nordrhein-Westfalen – Niederschlagswasserbeitrag
Beschluss vom 08.03.2005 – Aktenzeichen 15 A 809/03

Wird einzelnen Grundstückseigentümern eine private Regenwasserrückhaltung vor Einleitung des Niederschlagswassers in die öffentliche Entwässerungsanlage aufgegeben, wird diesen gegenüber denjenigen Grundstückseigentümern, deren Niederschlagswasser ungedrosselt eingeleitet werden darf, ein beitragsrelevant geminderter wirtschaftlicher Vorteil geboten.

OVG Greifswald – Zur Selbständigkeit einer Erschließungsanlage
Beschluss vom 11.12.2003 – Aktenzeichen 1 M 218/03

  1. Zum Maßstab „ernstliche Zweifel“ bei der Aussetzung der Vollziehung bei öffentlichen Abgaben und Kosten
    (§ 80 Abs. 4 und 5 VwGO)

  2. Bei der im Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nur gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage wird regelmäßig die Einnahme eines richterlichen Augenscheins nicht geboten sein.

  3. Eine 176 Meter lange Privatstraße kann eine selbständige Erschließungsanlage darstellen (hier bejaht). Hierzu muss die Privatstraße zum Anbau bestimmt und zur verkehrsmäßigen Erschließung der an sie angrenzenden Grundstücke geeignet sein. Schließlich muss es sich um eine im erschließungsbeitragsrechtlichen bzw. straßenbaubeitragsrechtlichen Sinne als selbständig zu qualifizierende Verkehrsanlage handeln.

  4. Eine selbständige Verkehrsanlage, die aus tatsächlichen (z.B. mangels ausreichender Breite) oder aus rechtlichen Gründen nicht geeignet ist, eine den bebauungs- und bauordnungsrechtlichen Anforderungen genügende Heranfahrmöglichkeit zu eröffnen, ist nicht in der Lage, um ihrer selbst willen, d.h. ohne das Vorhandensein bzw. das verlässlich zu erwartende Vorhandensein der Straße, in die die betreffende Verkehrsanlage einmündet bzw. einmünden soll, den an die anliegenden Grundstücken eine Bebauung zu vermitteln und sie ist deshalb nicht zum Anbau bestimmt.

  5. Alle befahrbaren Verkehrsanlagen im innerörtlichen Bereich erfüllen regelmäßig das Tatbestandsmerkmal „zum Anbau bestimmt“.

OVG Greifswald – Zum Ausschluss von Einzelhandelseinrichtungen im B-Plan
Urteil vom 17.12.2003 – Aktenzeichen 3 K 6/01

Der Ausschluss der Branche „Einzelhandel'“ aus einem Gewerbegebiet in textlichen Festsetzungen eines Bebauungsplanes ist nur nach § 1 Abs. 9 BauNVO zulässig.

OVG Lüneburg – Zur Berücksichtigung von kostenmäßigen Besonderheiten innerhalb einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung
Beschluss vom 29.10.2003 – Aktenzeichen 9 LA 269/03

  1. Der Grundsatz, dass Gebühren nur für kostenverursachende öffentliche Einrichtungen erhoben werden können, darf nicht dadurch umgangen werden, dass eine selbständig arbeitende kostenfreie Anlage mit kostenverursachenden Anlagen zusammengefasst und dadurch kostenpflichtig gemacht wird.

  2. Technisch selbständige Anlagen, die unterschiedlich hohe Kosten verursachen, dürfen grundsätzlich zu einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung zusammengefasst werden.

  3. Erhebliche kostenmäßige Besonderheiten innerhalb einer öffentlichen Einrichtung sind nicht im Rahmen des Einrichtungsbegriffs, sondern – wenn überhaupt – bei der Ausgestaltung von Gebührenmaßstab und Gebührensatz zu berücksichtigen.

  4. Weder das Kostendeckungsprinzip noch das Äquivalenzprinzip und der allgemeine Gleichheitssatz fordern eine Gebührenbemessung nach Maßgabe der durch einzelne Benutzer oder Benutzergruppen verursachten Kosten.

OVG Schleswig – Zum Anschluss- und Benutzungszwang und privatrechtlichem Benutzungsverhältnis
Urteil vom 22.10.2003 – Aktenzeichen 2 KN 5/02

RECHTSMITTEL: Das BVerwG hat das Urteil des OVG insoweit geändert, als es § 8 Ziff. 2 der Satzung über die Wärmeversorgung der Antragsgegnerin für nichtig erklärt hat und insoweit den Antrag abgelehnt. Im Übrigen wurde die Revision zurückgewiesen (- 8 CN 1.04 -).

  1. Zur rechtlichen Bedeutung der Begriffe Fernwärme und Nahwärme.

  2. Für die Eigenschaft einer Einrichtung als öffentliche Einrichtung kommt es nur auf die Allgemeinheit eines Bereitstellungzweckes an, nicht auf das Eigentum an den Anlagen.

  3. Eine funktionale Privatisierung in Form des sogenannten Betreibermodells hat nicht zur Folge, dass die Eigenschaft einer öffentlichen Einrichtung zu verneinen ist.

  4. Wird durch den Anschluss- und Benutzungszwang eine Abhängigkeit der Pflichtigen von der Einrichtung hergestellt, die – wie bei der Wärmeversorgung – existentiell wichtige Lebensbedürfnisse betrifft, verlangt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine dauerhafte Sicherung des Benutzungsrechts.

  5. Mit der Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwanges wird kraft Gesetzes ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis zwischen der Gemeinde und dem betroffenen Bürger begründet; damit ist eine privatrechtliche Regelung des Benutzungsverhältnisses ausgeschlossen.

OVG Greifswald – Zur Tiefenbegrenzungsregelung im Kanalbaubeitragsrecht
Beschluss vom 20.11.2003 – Aktenzeichen 1 M 180/03

Zur so genannten schlichten Tiefenbegrenzungsregelung im Kanalbaubeitragsrecht – Fortführung der ständigen Rechtsprechung.

Eine Tiefenbegrenzungsregelung enthält einen Ausnahmefall von der Anwendbarkeit des bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriffs. Da für eine rückwärtige Teilfläche, die außerhalb der Tiefenbegrenzung liegt, noch keine sachliche Beitragspflicht entstanden ist, kann z.B. bei ihrer nachträglichen Bebauung eine Heranziehung dieser Fläche zu einem Kanalbaubeitrag in Betracht kommen, ohne dass der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung entgegensteht.

OVG Lüneburg – Kalkulation der Gebühr für die Schmutzwasserbeseitigung
Urteil vom 18.09.2003 – Aktenzeichen 9 LB 390/02

  1. Wird ein Abwasserbeseitigungssystem auch von Dritten (hier der Nachbargemeinde) in Anspruch genommen, so müssen hierfür in die Gebührenkalkulation nur die anteiligen Kosten für die in Anspruch genommenen Anlageteile eingestellt werden (Änderung der bisherigen Rechtsprechung).
  2. Zinsvorteile aus Abschreibungserlösen müssen dem Gebührenhaushalt gutgeschrieben werden, soweit sich die Abschreibungen auf beitragsfinanzierte Anlageteile beziehen.

OVG Sachsen-Anhalt – Beitragsrechtlicher Vorteil eines Grundstücks
Urteil vom 06.12.2002 – Aktenzeichen 1 L 321/01

Hängt das Maß der wahrscheinlichen Inanspruchnahme der Einrichtung in erster Linie von der baulichen Nutzbarkeit des Grundstücks ab, so bietet die tatsächlich vorhandene Bebauung bei bebauten Grundstücken im unbeplanten Innenbereich noch einen hinreichenden Anhaltspunkt für den durch die Anschlussnahme vermittelten Vorteil.

Angesichts des technischen und finanziellen Mehraufwands ist es nicht sachwidrig, wenn der Satzungsgeber von seinem Regelungskonzept, Vorteile nach der zulässigen Bebauung zu bemessen, bei bebauten Grundstücken im unbeplanten Innenbereich abweicht.

OVG Lüneburg – Gebührenfähige Kosten
Urteil vom 04.11.2002 – Aktenzeichen 9 LB 215/02

Der betriebswirtschaftliche Kostenbegriff erfasst den in Geld ausgedrückten tatsächlichen Verbrauch (Wertverzehr) von Gütern und Dienstleistungen innerhalb einer bestimmten Rechnungsperiode, soweit er im Rahmen der Leistungserbringung anfällt.

Wird nach dem Wiederbeschaffungszeitwert abgeschrieben, so darf der für die kalkulatorische Verzinsung maßgebliche Restwert gleichwohl auf der Grundlage fiktiver Abschreibungen nach dem Anschaffungs- und Herstellungswert ermittelt werden.

Betriebsbedingte sog. Verwaltungsgemeinkosten der an der Leistungserstellung beteiligten gemeindlichen Kern- und Querschnittsämter gehören zu den gebührenfähigen Kosten im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 NKAG; das anteilige Gehalt des Behördenleiters und Sitzungsgelder der Vertretungskörperschaft sind keine ansatzfähigen Gemeinkosten.

Geringfügig überhöhte Kostenansätze, etwa von weit weniger als 0,1 %, sind zwar rechtswidrig, führen aber nicht zur Nichtigkeit des beschlossenen Gebührensatzes.

Geldwerte Vorteile sind in der Gebührenkalkulation nicht ansatzfähig, wenn es an einem Wertverzehr in Bezug auf Güter- und Dienstleistungen fehlt.

(amtliche Leitsätze)

OVG Nordrhein-Westfalen – Kanalanschlussbeitragsrecht
Urteil vom 25.09.2001 – Aktenzeichen 15 A 3850/99

  1. Die Klagefrist gegen einen Ausgangsbescheid wird nur einmal ausgelöst, und zwar durch die Zustellung des ersten auf einen Widerspruch gegen den Ausgangsbescheid hin ergangenen Widerspruchsbescheides in dem Umfange, in dem der Ausgangsbescheid widerspruchsbefangen ist.

  2. Das für die Kanalanschlussbeitragspflicht erhebliche Tatbestandsmerkmal „sobald das Grundstück bebaut oder gewerblich genutzt werden kann“ fehlt, wenn eine vom Bebauungsplan zur Erschließung des Grundstücks vorgesehene Erschließungsanlage tatsächlich nicht vorhanden ist.

  3. Beschränkungen der baulichen Ausnutzbarkeit eines Grundstücks können das volle Entstehen der Beitragspflicht hindern, wenn sie sich auf ein satzungsrechtliches Verteilungskriterium auswirken.

  4. Beschränkungen der baulichen Ausnutzbarkeit, die zu einer wesentlich geringeren Ausnutzbarkeit der Grundstücksfläche als nach den allgemeinen baulichen Vorschriften zulässig führen, können die Bildung einer wirtschaftlichen Einheit, soweit das Grundstück baulich nutzbar ist, und eines nicht zu berücksichtigenden Grundstücksteils gebieten.